Heul nicht!

Von Peter Littmann

Fußgängerzone, mittags gegen halb eins. Alles rennt hektisch durcheinander, die einen wollen schnell zum Essen, die anderen eilig zurück ins Büro, dazwischen Leute, die mal eben in der Mittagspause Besorgungen machen.


Plötzlich drehen sich Hälse, Gemurmel verstummt, Publikum entsteht. Im Mittelpunkt ein kleiner Mann, nicht mehr ganz jung. Als Covermodel für ein Modemagazin ist er gänzlich ungeeignet, aber er hat Charme und macht wunderbare Pantomime. So gewinnt er mühelos und minutenlang das Gut, um das sich in einer Fußgängerzone alle schlagen: Er und er allein hat unsere Aufmerksamkeit.

Frauen schmücken sich für sie, Kinder erquengeln sie sich, Männer kaufen sie mittels Statussymbolen. Unternehmen versenken Millionenbeträge, um das Gold unserer Tage zu erlangen: Beachtung. Doch was, wenn es des Guten zu viel wird? Dann kann ein Rockstar das Haus nicht mehr verlassen ohne ein Rudel heulender Teenager im Schlepptau, und eine Marke wird zum Haushaltsnamen. "Hast du mal ein Tempo für mich?" "Ich esse am liebsten Cornflakes zum Frühstück", oder "Heul nicht! Das kann man kleben, dafür gibt’s Uhu!"

Dann barmen die Experten: Wenn Marken so bekannt werden, dass sie in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen, habe der Hersteller genauso verloren wie mit einer Marke, die keiner kennt. Denn der Sprecher meine ja nicht ein konkretes Markenprodukt, sondern irgendwelche Papierfeudel, Getreideflocken oder Klebstoffe. Kaum einer erinnert sich noch, dass Kleenex, Trampoline und Cellophane tatsächlich mal geschützte Marken waren. Übrigens auch Walkman. Sony war mit dem Ding so erfolgreich, dass es zum Gattungsbegriff wurde.

Andererseits: was für ein Kompliment. Wie man es schafft, von den knapp 50 000 Marken zu den rund 100 zu gehören, die ein Durchschnittsmensch sich merken kann, ist schließlich die letzte Frage des Marketings, so wie die letzte Frage des Christentums auf Erlösung zielt. "Das ist der Daimler unter den Waschmaschinen", sagt der Verkäufer für weiße Ware. "Aldi" meint die Hausfrau, wenn sie irgendein günstiges, aber hochwertiges Discounter-Produkt verwendet.

Doch die Experten mögen sich beruhigen, der Trend zur Monomarke im Mittelstand – und nur solche wurden je zum Haushaltsnamen – stirbt aus. Genauso wie der "mittelständische" Konsument an sich. Der Trend geht zu High End und zu billig, der Mitte geht die Luft aus.

Betrachten wir der Einfachheit halber nur den Automarkt, des Deutschen liebste Industrie: Noch vor 30 Jahren griffen zwei Drittel der Verbraucher zu Volkswagen, Opel und Ford. Gesellschaftliche Klasse zeigte sich für die Mehrheit der Bevölkerung darin, ob Vati mit dem Opel Admiral zur Arbeit fuhr – oder nur mit einem Rekord.

Seit den 90ern jedoch dehnt sich einerseits das Premium mit A- und C-Klasse-Mercedes und den 3er- und 1er-Serien von BMW aus. Und von unten kamen zunächst die Japaner mit guten Preisen, dann die Franzosen mit pfiffigem Design und schließlich die Koreaner mit Angeboten, die noch mal 15 Prozent unter den japanischen liegen. Seither verliert der Massenmarkt in der Mitte Blut. Opel und Ford und eigentlich auch VW darben vor sich hin.

Im Großen und Ganzen gilt das für alle Produktbereiche: Entweder liefert man heute exklusives Flair im Stil von Prada oder aber lockt mit "cheap chic" im Sinn von Zara. Die Kunden durchschauen die Wertschöpfungsketten und wissen, dass viele Produkte billig aus China und Osteuropa kommen, schließlich haben Hunderttausende mit diesem Argument schon mal ihren Job verloren. Warum sollen sie also freiwillig hohe Preise fürs mittlere Segment bezahlen? Sie decken ihre Grundbedürfnisse clever und billig – falls dann noch was übrig ist in der Kasse, erfreut man sich an Luxus. Also lieber iPod als irgendeinen MP3-Player, lieber Davidoff Cool Water als Tabac Original, lieber Trüffel von der Confiserie als After Eight. Einige Branchen und Marken profitieren auch davon, doch die allgewaltigen Massenmarken, die 75 Prozent aller Leute kaufen, wird es nie mehr geben. Vive la différence!

Und die Marketingmenschen können beruhigt ins Bett gehen: Ihren kostbaren Markennamen wird schon keiner in ein Sprichwort verwandeln.

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