Die Zukunft ist Geschichte

Von Peter Littmann

New York erinnert sich seiner Vergangenheit als New Amsterdam und fährt Rad! Für Amerika-Kenner ist das ein Satz wie „Haie leben vegetarisch“. Ausgerechnet in der Stadt der gelben Taxis wuchs die Zahl der Leute, die zur Arbeit radeln, in zwei Jahren um 35 Prozent. Das City Department of Transportation, das bislang vor allem den ewigen Stau der Metropole verwaltet, meldet stolze 270 Kilometer Radwege. 

Und Bürgermeister Michael Bloomberg verfügte, dass Arbeitgeber in der Stadt ihrem Personal ermöglichen müssen, ein Bicycle nahe am Arbeitsplatz sicher zu parken.
Bislang ging man in New York zum „Workout“ in den „Gym“ und wer Fahrrad fuhr, betrieb auch das als Sport mit hoch gerüsteten Rennmaschinen und elastischen Ganzkörper-Trikots, ähnlich denen, mit denen Lance Armstrong für die Tour de France antritt. Als Verkehrsmittel war das Zweirad in Manhattan unbekannt. Inzwischen jedoch radeln wie in Europa ganz normale Leute in Anzug und Businesskostüm an Hudson oder East River entlang ins Büro. Auf Hollandrädern! In einem Land, in dem jede zweite Werbekampagne auf den Worten „New“ und „Improved“ basiert, bricht ein Gefährt alle Verkaufsrekorde, das seit dem zweiten Weltkrieg keine wesentliche Innovation gesehen hat. Warum?
Weil Holland-Räder gemütlich und dank der aufrechten Haltung, die sie ermöglichen, nicht schweißtreibend sind. Im Gegensatz zum Rennrad lassen sie auch einem mäßig jungen Benutzer seine Würde und verbreiten wie Schrankkoffer oder Baskenmützen obendrein diesen europäischen Altwelt-Charme, dem Amis so begeistert erliegen. Doch der Boom der Drahtesel ist am Ende mehr als eine Stillfrage. All die modernen Herausforderungen machen die Leute einfach nostalgisch, sie suchen nach traditionellen Namen und Marken mit einer möglichst langen Geschichte, die vertrauenswürdig klingt. Was wäre verlässlicher als ein schweres Holland-Rad mit Kettenschutz, dicken Schutzblechen und Stoßdämpfern unterm Ledersattel?
Die gleichen Emotionen, die in New York das Holland-Rad zum Renner machen, treiben in Europa die Mode. Kreative plündern die Design-Hommagen alter James Bond und Doris Day Filme. Aktuelle Linien sehen aus, als sei Elsa Schiaparelli, die Avantgarde-Modedesignerin im Paris der 30er Jahre, wiederauferstanden. Das Werk ihrer Kollegin Madeleine Vionnet wird unter dem Dach von Valentino tatsächlich wiederbelebt. Cacharel startete im Frühjahr eine Vintage-Kollektion, begleitet von den Worten: „Im Moment gibt es eine riesige Nachfrage nach Stücken aus dem Archiv.“ Dolce & Gabbana recyceln ganz offen Elemente aus längst vergangenen Kollektionen – das Ergebnis sind Blusen im Leopardenlook der 80er Jahre. Bei der britischen Handelskette Marks & Spencer war diesen Sommer eine Art Lilo-Pulver-Pünktchenkleid im Stil der 40er ein Verkaufsschlager.
Wo ein Trend ist, können die Agenturen nicht weit sein. Harley Davidson wirbt mit Marisa Miller als American-Bombshell-Bikini-Blondine im Stil der 40er und Pepsi mit einer „throwback campaign“ und psychedelischen Mustern der 70er Jahre.
Die Kritik zum neuen Retro-Trend ist schnell formuliert: Holland-Räder sind viel zu schwer und unhandlich, besonders wenn man sie mit ins Büro schleppen muss, um sie vor Diebstahl zu sichern. Die Mode dreht sich seit Jahren auf der Stelle und nun fällt denen gar nichts mehr ein, als sich selber zu kopieren. Dito die Werbung: Life is Xerox and you are just a copy! Viele jüngere Konsumenten kennen überdies die alten Werbekamellen nicht und kapieren die schönen Zitate überhaupt nicht.
Aber geht es wirklich um Fragen von Technik, Kreativität und Stil? Faktisch ist der Retro-Trend doch der Krise geschuldet. Nicht, weil Ebbe in der Kasse das Sprit sparende Rad angezeigt sein lässt und auch nicht, weil GM’s- und Chrysler’s Schieflagen endgültig zeigen, wie uncool Autos Made in USA sind. Nein, es geht einfach um die Sehnsucht nach früher. Retro-Produkte und -Looks sind wie ein rezeptfreies Beruhigungsmittel, erlauben sie dem Konsumenten doch eine risikolose Entdeckungsreise in eine ungefährlich scheinende Vergangenheit. Dazu gefällt es vielen, sich mit „ewig zeitlosen“ Designs zu umgeben; Identität und Authentizität sind immer attraktiv, in Leuten wie Produkten. In New York, der Zentrale einer von Credit Default Swaps durcheinander gebrachten Welt, ist ein Grandmother’s Dutch-Bicycle sozusagen der Goldbarren unter den Transportmitteln. Und Gold will derzeit bekanntlich alle Welt. Je unsicherer die Zeiten, desto verlockender die harte Währung einer alten, berechenbareren Epoche.

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